Cranach-Häuser in Wittenberg

Wittenberg erlebte im 16. Jahrhundert eine ungekannte Blütezeit. Dieser Aufschwung war eine Folge des Ausbaus der Residenz und der 1502 ebenfalls durch Kurfürst Friedrich den Weisen vorgenommenen Universitätsgründung. Die Entscheidung, Wittenberg zum Sitz der neuen Hohen Schule zu machen, bedeutete, die Stadt sowohl baulich als auch sozial tiefgreifend umzugestalten. Innerhalb kurzer Zeit kamen viele Gelehrte und Studenten aus dem In- und Ausland nach Wittenberg.

Der bereits 1486 begonnene Schlossbau zog hochrangige Künstler nach Wittenberg, darunter Cranach d. Ä., der 1505 als Hofmaler angestellt wurde und sich 1511/12 in der Stadt niederließ. Die Bedürfnisse der Universität, aber auch die humanistischen Interessen des Fürsten begünstigten den Aufstieg des Buchgewerbes, der ab den 1520er Jahren durch die von Wittenberg ausgehende Reformation weiter befördert wurde. Auch Cranach d. Ä. betrieb zeitweilig eine Druckerei. Die Bebauung in der Stadt und auf den einzelnen Parzellen verdichtete sich, es kam zu Verdrängungsprozessen.

Zahlreiche Häuser aus dieser Zeit sind bis heute erhalten und prägen das Stadtbild. Viele der schönsten und wertvollsten sind in der einen oder anderen Weise mit der Familie Cranach verbunden.

Beleuchtet man die Nachbarschaftsverhältnisse innerhalb der Stadt, was anhand der Steuerlisten, überlieferter Verträge und anderer Schriftzeugnisse gut möglich ist, so zeigt sich, dass die Cranachs mit allen führenden Wittenberger Familien in Kontakt standen. Viele davon waren im Buchgewerbe zu Wohlstand gekommen, viele waren im Rat, so auch Cranach d. Ä. ab 1519. Sein Sohn folgte ihm wohl 1544 nach. Das Bemühen, die soziale Stellung zu befestigen und das teilweise immense Vermögen auf Dauer zu sichern, wird auch in den Heiratsverbindungen sichtbar, die z. B. die Familien Cranach und Selfisch schlossen. Die Schwiegersöhne und -töchter der Cranachs stammten vorzugsweise aus erfolgreichen „Buchfamilien“ oder aus dem höfischen und universitären Milieu.

Amtshaus hinter der Mauer

Über das Gebäude

1560/61 begegnet uns Cranach d. J. im Schoßbuch als Besitzer eines Hauses „Hinter der Mauer“ (heute Pfaffengasse), dessen Wert im Türkensteuerregister von 1528 mit 80 Gulden beziffert und 1542 mit 130 Gulden veranschlagt worden war. Besitzer war damals der Geistliche Johan Hartwigk, der bis 1553 dort ansässig blieb. Wie andere Geistliche hatte er im Zuge der Reformation ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt bekommen und war in der Stadt geblieben. Nach Hartwigks Tod fiel die Hausstelle an den Rat, der sie an Cranach, selbst Ratsmitglied, veräußerte. Die Kämmerei verzeichnete 1558 eine Einnahme "Extra ordinarie": "35 ß [36 Schock Groschen = 100 Gulden] von Lucas Cranach vor das heußlein so er vom Rath erkaufft." (1 Schock Groschen sind 60 Groschen).

Cranach nutzte das Haus bis 1586 wohl zur Vermietung. Nach seinem Tod wurde das Grundstück 1587 dem angrenzenden Marktviertel 26 zugeschlagen, so dass dessen Besitzer Dr. Lemmer fortan zusätzlich zum Schoß für sein Haus (jährlich 24 Groschen) die 8 Groschen für die „Bude“ zu zahlen hatte.

Der Bereich der heute bis zur Ecke Juristenstraße durchgängig als Pfaffengasse bezeichneten Straße war besonders stark von Neuordnungen und Umwidmungen betroffen, teilweise ausgelöst durch die Reformation. Andererseits war am Ende der Brüdergasse (heute Juristenstraße) 1519 mit der Errichtung des „Collegium iuridicum“ begonnen worden. In der Umgebung dieses neuen Universitätsgebäudes entstanden Wohnungen für Studenten und Lehrpersonal, häufig durch Investitionen, die Universitätsangehörige wie Paulus Eber, Joachim von Beust und wohl auch Dr. Lemmer tätigten. An den späteren Stadtpfarrer und Generalsuperintendenten Paulus Eber verkaufte Cranach 1553/54 die nahe gelegene Hausstelle Marktviertel 22, die er selbst 1552 erworben hatte (> s. Pfaffengasse (unbebaut)).

Bürgermeisterstrasse 12

Über das Gebäude

Allenfalls kurzzeitig war Cranach d. Ä. auch Besitzer des Hauses Bürgermeisterstraße 12 (früher Jüdenviertel 37). Laut der Steuerliste (Schoßregister) in der Kämmereirechnung von 1519 zahlte er für das Haus an Stelle von Hans Mewrer den Sommerschoss in Höhe von 15 Groschen. Den Winterschoß entrichtete wiederum Meurer oder seine Familie. Ab 1520 erscheint in den Registern Magister Philipp Reichenbach als Eigentümer.

Vermutlich ist Cranach 1519 mit der Schoßzahlung eingesprungen. Er war vom Rat als Vormund der Erben Meurers eingesetzt worden und veräußerte in dieser Eigenschaft das Haus an Reichenbach, der 1525 Nachfolger Andreas Meinhardts als Stadtschreiber wurde und ab 1530 wiederholt als Bürgermeister wirkte. Reichenbach beherbergte in seinem Haus in der Bürgermeisterstraße Katharina von Bora nach ihrer Flucht aus Kloster Nimbschen. Hier fand im Sommer 1523 die Verlobung Katharinas mit Martin Luther statt, in Gegenwart Cranachs und Bugenhagens.

Im „Türkensteuerregister“ von 1528 wird das Haus mit 180 Gulden bewertet. 1542 gab Philipp Reichenbach 500 Gulden als Wert an, hatte das Haus also zwischenzeitlich ausgebaut. 1638 war die Hausstelle Bürgermeisterstraße 12 unbewohnbar („wüst“). Heute steht hier ein 2004 errichtetes Gebäude, dem ein im 18. Jahrhundert entstandenes Fachwerkhaus weichen musste.

Coswiger Strasse 28

Über das Gebäude

Ob der Besitzer des Hauses Coswiger Straße 28, ein Christian Kranach oder Kranich, überhaupt ein »echter Cranach« ist, konnte bis dato nicht zweifelsfrei geklärt werden. Er erscheint erstmals 1619 als Schoßzahler und zwar als Nachfolger von Anthonius Trinckwitz, der wiederum ein Nachkomme der Else Trinkwitz gewesen sein dürfte, die gut einhundert Jahre zuvor ihr Haus am Markt an Cranach d. Ä. verkauft hatte (> s. Markt 5 und Haus der Trinckwitzin).

Die Hausstelle Coswiger Straße 28, früher Coswiger Viertel 83, wurde erst seit 1571 mit Schoß belegt und war bis dahin wahrscheinlich Teil des Grundstücks Marstallgasse 20, für das im Jahre 1571 der Schoßbetrag von vorher 43 gr auf 6 gr reduziert wurde. Mit der Grundstücksteilung hatten sich interessante Möglichkeiten für einen Neubau an der Ecke Marstallgasse/ Coswiger Straße ergeben. 1638 wird dort ein zweistöckiges Fachwerkhaus mit 10 Stuben und einem Hintergebäude beschrieben, das nicht erhalten ist. Das heutige Haus wurde Ende des 19. Jahrhunderts erbaut.

Fleischerstrasse 7

Über das Gebäude

Von 1528 bis ca. 1560 waren Lucas Cranach d. Ä. resp. sein gleichnamiger Sohn Besitzer der Bude auf der Hausstelle Elsterviertel 48 in der heutigen Fleischerstraße, damals noch als „Hinter der Mauer“ bezeichnet. Der Wert des kleinen Häuschens, das "Matthes Segemacher gewesdt", wird 1528 und 1542 mit lediglich 40 Gulden angegeben; 1638, als während des Dreißigjährigen Krieges ein Einquartierungsverzeichnis aufgestellt wurde, ist es als einstöckiges Fachwerkhaus mit drei Stuben erfasst. Auch hier dürfte es sich um ein zur Vermietung genutztes Objekt gehandelt haben. Vermutlich im 19. Jahrhundert wurden die Hausstellen Elsterviertel 47, 48 und 49 zur Fleischerstraße 7 zusammengefasst.

Juedenstrasse 26

Über das Gebäude

Im Jahre 1529 erscheint Cranach d. Ä. erstmals auch als Schoßpflichtiger für die Hausstelle Jüdenviertel 151. Interessant ist hier der Vorbesitzer Simprecht Reinhart, der über längere Zeit als Formschneider und Drucker für Cranach tätig war. Reinhart besaß das Grundstück von 1526 bis 1528. Er hatte es vom Rat oder vom Gemeinen Kasten erworben, dem es nach der Auflösung der Elendenbruderschaft zugefallen war. Die Bruderschaft hatte die mit zwei Gebäuden bebaute Liegenschaft seit mindestens 1481 versteuert. Die Rechnung des Gemeinen Kastens, der 1525 eingerichteten allgemeinen Kirchenkasse, verzeichnet 1526 unter den Einnahmen aus ›Abgelösten Hauptsummen‹ u. a. "17 ß 30 gr [von] Zumprecht buchdrucker vor die Elenden 2 heuser die im vor 100 fl [Gulden] vorkaufft". Reinhart bezahlte demzufolge 1526 die Hälfte des Kaufpreises oder Kredites (17 ß 30 gr sind 1050 Groschen gleich 50 Gulden). Der Wert des Hauses ist im Türkensteuerregister von 1528 mit 100 Gulden beziffert.

Nachfolger von Cranach war ein Matthes Meyer (1532), über dessen Beruf noch nichts bekannt ist. Auf ihn folgte spätestens 1550 der Drucker Wolf Furnschild. Er oder seine Erben veräußerten das Grundstück in den 1560er Jahren an den im selben Metier tätigen Veit Creutzer. Reinhart und Cranach zahlten wie die Elendenbruderschaft jährlich 15 Groschen Schoß, die Nachfolger den doppelten Betrag.

Laut des Einquartierungsverzeichnisses von 1638 ist die Hausstelle damals „wüst“; das von Arnimsche Leibregiment, das die Stadt verteidigen sollte, hatte das Haus im Vorjahr eingerissen.

Markt 4

Über das Gebäude

Lucas Cranach d. Ä. wurde am Wittenberger Markt ansässig, nachdem er im Herbst 1511 geheiratet hatte und aus der Malerstube im Schloss ausgezogen war. Dem Gerichts- und Handelsbuch ist zu entnehmen, dass die Nachkommen des Blasius Welmsdorf ihm das Haus Markt 4 (Marktviertel 3) am 3. November 1511 übereigneten.

Am selben Tag wurde der Maler auch Eigentümer des Hauses der Else Trinckwitz, das er im März 1513 gegen das Haus Markt 5 tauschte, wodurch er in den Besitz der beiden benachbarten Häuser Markt 4 und 5 kam (> s. Markt 5 und Haus der Trinkwitzin). Ab 1512 zahlte Cranach für Markt 4 jährlich 100 Groschen Grundsteuer (Schoß). Diese Zahlungen sind bis 1517 durch die Schoßregister in den Jahresrechnungen der Ratskämmerei dokumentiert. In Markt 4 oder Markt 5 ist demzufolge 1515 Lucas Cranach d. J. geboren. Im Zeitraum von Mai 1512 bis April 1514 bezog Cranach regelmäßig Ziegel aus der Amtsscheune, woraus zu schließen ist, dass er die Häuser für seine Bedürfnisse ausbaute.

Bereits 1517/18 verkaufte Cranach Markt 4 und Markt 5 wieder und erwarb das Anwesen Schlossstraße 1 (> s. Schlossstraße 1). Markt 4 versteuerte von 1518 bis 1522 Hans Moddo, dann Ambrosius Reuter. Reuter schätzte den Wert des Haues 1528 auf 500 Gulden, 1542 jedoch auf 1.600 Gulden, hatte also zwischenzeitlich erheblich investiert. Im Jahre 1550 tauschte Cranachs Schwiegersohn Caspar Pfreundt sein Haus Markt 5 mit Ambrosius Reuter gegen dessen Anwesen Markt 4. Hintergrund dieses Tauschgeschäftes waren Schulden Reuters bei Pfreundt. Vielleicht stand dahinter auch das Bemühen Cranachs d. Ä., die Finanzen zu ordnen, was im Kontext seiner Übersiedelung nach Weimar in eben diesem Jahre plausibel wäre.

Das Haus Markt 4 wurde Anfang der 1990 er Jahre durch die Stadt Wittenberg erworben und sorgfältig saniert. In der 2015 eingerichteten Ausstellung sind auch viele Bauteile und originale Farbfassungen aus der Zeit der Cranachs zu sehen.

Markt 5 & das Haus der Trinckwitzin

Über das Gebäude

Lucas Cranach d. Ä. wurde am Wittenberger Markt ansässig, nachdem er im Herbst 1511 geheiratet hatte und aus der Malerstube im Schloss ausgezogen war. Am 3. November 1511 wurde er Eigentümer von Markt 4 und des Hauses der Else Trinckwitz. Schon im März 1513 veräußerte Cranach letzteres an Caspar Teuschel und brachte im selben Zuge dessen Haus Markt 5 in seinen Besitz, so dass er die beiden benachbarten Häuser Markt 4 und 5 sein eigen nennen konnte. In einem der beiden Häuser ist Lucas Cranach d. J. 1515 geboren.

Das Haus der Else Trinckwitz stand auf der Ostseite des Marktes und war Teil einer Häuserzeile, die zwischen 1521 und 1570 abgebrochen wurde, als man den Marktplatz erweiterte. Der Standort lässt sich auf der Grundlage der Reihenfolge der abkassierten Hausstellen im Rundgang der Steuereintreiber zumindest annäherungsweise rekonstruieren. Das Haus wurde 1547/48 abgerissen.

Für Markt 5 zahlte Cranach jährlich 54 Groschen Grundsteuer (Schoß). Diese Zahlungen sind bis 1517 durch die Schoßlisten dokumentiert. Im Zeitraum von Mai 1512 bis April 1514 bezog Cranach regelmäßig Ziegel aus der Amtsziegelscheune, woraus zu schließen ist, dass er die Häuser für seine Bedürfnisse ausbaute. Bereits 1517/18 verkaufte er die beiden Häuser wieder und erwarb das Anwesen Schlossstraße 1 (> s. Schlossstraße 1). 1521/22 kaufte er das Anwesen Markt 5 jedoch wieder zurück, eventuell um hier die Druckerei einzurichten. Aus einer nicht datierten aber wohl 1550 aufgestellten Rechnung Cranachs d. Ä. geht hervor, dass 1521 der Drucker Melchior Lotter d. J. in Markt 5 wohnte oder arbeitete.

Spätestens ab 1547 – die Kämmereirechnungsbücher der Jahre 1542–46 fehlen und damit auch die Steuerlisten – nutzte Cranachs Schwiegersohn, der Apotheker Caspar Pfreundt, das Haus Markt 5. Im „Türkensteuerregister“ aus dem Jahr 1528 wird das Haus mit 800 Gulden bewertet, ebenso 1542. Im Jahr 1532 wohnte hier Georg Tasch, der aus Würzburg stammte, sich bei Cranach eingemietet hatte und 1537 Ursula, eine Tochter Cranachs, heiratete. Dasch ging mit seiner Familie nach dem Schmaldkaldischen Krieg (1546/47) nach Gotha, wo er wiederum in einem Haus Cranachs d. Ä. wohnte und später Bürgermeister wurde.

Caspar Pfreundt tauschte im Jahre 1550 das Haus Markt 5 mit dem Nachbarn Ambrosius Reuter gegen dessen Anwesen Markt 4. Hintergrund dieses Tauschgeschäftes waren Schulden Reuters bei Pfreundt. Vielleicht stand dahinter auch das Bemühen Cranachs d. Ä., die Finanzen zu ordnen, was im Kontext seiner Übersiedelung nach Weimar in eben diesem Jahre plausibel wäre.

Markt 5 wurde Mitte der 1990er Jahre ausgekernt und zu einem Kaufhaus umgebaut. Von den im 16. Jahrhundert entstandenen Bauteilen sind die Fassade, die westliche und östliche Außenwand und die tonnengewölbten Keller erhalten.

Rathausbau und Markterweiterung

Als Cranach 1511 Markt 4 und das Haus der Trinkwitzin erwarb, um letzteres kurz darauf gegen Markt 5 einzutauschen, war kaum zu ahnen, dass der Rathausneubau mittelfristig zur Aufgabe des ehedem der Trinckwitzin gehörenden Hauses führen würde, was nur im Kontext der Markterweiterung verständlich ist. Hätte dieser Plan bereits am Anfang des Jahrhunderts bestanden, so hätte sich Caspar Teuschel, selbst im Rat an den Entscheidungen beteiligt, auf ein riskantes Geschäft eingelassen. Die rechtlichen Grundlagen, die weitreichenden Befugnisse der Ratsbaumeister zum Bau und, hier wichtiger, zum Abbruch von Gebäuden wurden dennoch mit den 1504 erlassenen Statuten geschaffen. Der Standort des Hauses der Trinckwitzin, 1511/12 als zwischen der "Peter Huterynn und dem weyn hauße" und zugleich nahe des ›Schottenhauses‹ beschrieben, ergibt sich zumindest ungefähr aus der Reihenfolge der Namen im Schoßregister, die als Abbild des Umgangs der Schoßeintreiber zu lesen ist. Der ab 1520 vollzogene »Stadtumbau« hatte auch Auswirkungen auf diesen Rundgang, was angesichts der beschriebenen Neuanlage der Scharrengasse und des Anschlusses der Neu- an die Mittelstraße leicht vorstellbar ist. Veränderungen in den Schoßlisten wurden schon früher bemerkt, waren jedoch bisher nicht zu erklären.

So erscheint bis ca. 1549 MV 1, das heute als Beyerhof bezeichnete Anwesen Markt 6, im Schoßregister nicht an erster Stelle, sondern fast am Schluss der Liste und damit am Ende des Rundgangs der Schoßeintreiber. Auf den Eintrag zu MV 1 folgen nur noch die Häuser auf der Ost- und Westseite des Marktplatzes und zwar von Süden her gegen den Uhrzeigersinn. Zwischen MV 1 (heute Markt 6) und dem Haus der Trinckwitzin sind 1510 und auch noch 1521 insgesamt 16 Hausstellen aufgeführt, von denen sieben, eventuell sogar acht, zwischen 1522/23 und 1570/71 verschwanden, während die östlich gelegenen Häuser, in Goldmanns Plan mit den Nummern MV 65 bis 73 bezeichnet, bestehen blieben.

Anlass dieses Verschwindens war der 1522 begonnene Rathausbau, dem zunächst (1521/22) vier oder fünf Häuser und eine Krambude am nordöstlichen (alten) Marktplatz weichen mussten. Der Erweiterungsbau des Rathauses, für den Cranach noch 1528 Materiallieferungen in Rechnung stellte, war ganz offenbar von Anfang an mit der städtebaulichen Idee verbunden, den Platz im Osten aufzuweiten und im Umriss gleichmäßiger zu gestalten. Ohne die Aufgabe der genannten Bauten wäre es nicht möglich gewesen, das alte Rathaus, das sich sehr wahrscheinlich am selben Standort wie das neue befand, in Richtung Osten zu verlängern und dennoch frei auf den Platz zu stellen. Ein Indiz dafür, dass der Vorgängerbau ungefähr das westliche Drittel des heutigen Gebäudes ausmachte, ist der unregelmäßige Kellergrundriss.

Hinsichtlich des Standortes des alten, ab 1523 erweiterten Rathauses sind mehrere Beobachtungen relevant, die sich aus der Reihenfolge der Hausstellen in den Schoßregistern ableiten lassen: Der Umgang wurde, wie schon früher ausgeführt, auf der Südseite des Marktes gegenüber des Rathauses aufgenommen, danach erfolgte der Besuch der Häuser im Coswiger Viertel, nach der Rückkehr aus dem Coswiger Viertel und der Juristengasse wurde in den Häusern auf der Marktnordseite (MV 55 bis MV 64) kassiert, anschließend die östliche Stadt. Am Ende der Runde wurden die Häuser auf der Ost- und schlussendlich der Westseite des Platzes erreicht. Die Eintreiber kamen aus der Collegienstraße, kassierten auf der Ostseite des Marktes, gingen an der Südseite des Rathauses vorbei, die offenbar als Platzkante begriffen wurde, und erreichten zuletzt die Häuser auf der Westseite.

Eine exakte Rekonstruktion der Standorte der abgebrochenen Häuser ist schwierig, u. a. weil sich auch hinsichtlich der erhalten gebliebenen Hausstellen auf der Ostseite der verschwundenen Gasse (MV 65 bis MV 73) Veränderungen eingestellt haben, etwa indem später Häuser zusammengelegt wurden. Außerdem waren einige Häuser von der Gasse, andere vom Kirchhof aus zugänglich. Dennoch kann mit einiger Vorsicht aus der Reihenfolge der Hausbesitzer in der Kämmereirechnung für 1510 abgeleitet werden, dass das Haus der Urban Teuschelin auf der Nordseite des Platzes bzw. am nördlichen Ende der letztlich abgebrochenen Häuserreihe stand, dass sich dann – auf der Höhe des zu erweiternden Rathauses – die zuerst abgebrochenen Gebäude von Lepper (auch Lepperer), Huling, Seiler und Otho anschlossen und dass die Häuser der Trinkwitzin und von Peter Hutter etwa gegenüber der Hausstellen MV 70–73 standen. 1521 stellt sich das Bild ähnlich dar: Auf MV 67 folgend werden Hans Ebell (Nachfolger der Urban Teuschelin), Hennrich Lepper, dann vier Hausstellen auf der Ostseite der Gasse abkassiert; es folgen Merten Levin, Gores Seiler, Wilhelm Hoffman, Caspar Teuschel und Stefan Wulff, letzterer als Nachfolger der Peter Huterin. Am Schluss der Liste sind die Namen der Eigentümer von MV 68 und der Häuser auf der Westseite des Platzes (MV 9, 8 und 7) aufgeführt.

Teuschel, seit 1504 und auch 1512, 1520 und 1521 im Rat, behielt das 1513 von Cranach übernommene Haus der Trinkwitzin bis 1522, dem Jahr des Beginns des Rathausbaus, dann wurde hier Caspar Stiglitz ansässig. Den Winterschoß zahlten letztmalig 1521 Hennrich Lepper (4 gr 6 d), Merten Levin (12 gr), Gores Seyler (9 gr) und Wilhelm Hoffman (5 gr), die im Register für 1522 nicht mehr auftauchen und vom Rat entschädigt werden. Gores Seiler, der, wie oben erwähnt, 1522 den alten Konvent in der Juristenstraße erwarb, verschlechterte sich nicht unbedingt.

1522 erscheint noch Hans Ebell im Register, wohl als Besitzer des nördlichsten Hauses (Halbjahresschoß 9 gr 6 d), 1511 im Besitz der Urban Teuschelin Auch die Häuser von Caspar Teuschel (dann Caspar Stieglitz, 16 gr Halbjahresschoß) und der Peter Hutterin, nun im Besitz von Stefan Wolff (20 gr Halbjahresschoß) blieben vorerst erhalten. Das Haus Ebells, 1547 im Besitz Schittels, und das von Stiglitz, 1547 im Besitz von Andres Baitz/Bertz, verschwanden 1547/48. Die Rechnung für 1550 verzeichnet nur noch Wolff. Das Haus der Peter Hutterin versteuerte zuletzt 1570 die Witwe Stefan Wolffs; 1571 wird es vom Rat zur Erweiterung des Marktes aufgekauft, wie aus der Kämmereirechnung eindeutig hervorgeht: "Steffan Wolffin Solch Hauß hat ein rath auß erheplichen Ursachen damit der Marckt erweitert werden möchte, auß gekaufft, derwegen die 57 gr 4 d ßo es jherlichen geschoßett, alhier hinforder fallenn." Das nicht eindeutige Ergebnis einer 2009 vorgenommenen archäologischen Untersuchung der Ostseite des Marktplatzes kann weder als Bestätigung noch Widerlegung dieser These von der Existenz einer Häuserreihe auf der Ostseite des Platzes herangezogen werden. Immerhin wurde ein Feldsteinmauerrest, das Relikt eines Kellers, im Süden der Grabungsfläche freigelegt, etwa im Bereich des Hauses der Huterin/Wolff.

Auf jenes zuletzt freistehende Haus folgen in den Schoßregistern die Häuser MV 68 und dann die auf der Westseite des Platzes, MV 7 bis 9 (Markt 25–23). Da im Gerichtsbuch nicht nur das Haus der Elße Trinckwitz sondern auch MV 3 als »am Markt« gelegen bezeichnet wird, ist auszuschließen, dass die abgebrochenen Häuser parallel zu denen auf der Südseite situiert waren, außerdem ist der Zusammenhang zum Rathausbau durch die Entschädigungszahlungen an Lepperer, Hofmann, Seiler und Levin bewiesen. Henrich erhielt die Zahlung für einen Kramladen, der sich vermutlich im alten Rathaus befand.

Der Umstand, dass MV 1 ab 1549 mit Christianus Baier an erster Stelle des Schoßregisters geführt wurde, bis dahin stets fast am Ende des Rundgangs, lässt deshalb den Schluss zu, dass die Änderung des Rundgangs vorgenommen wurde, als auch die Häuser auf der Südostseite des Marktes ›Grundt geworden‹ waren – und Beyers Anwesen MV 1 ein »Haus am Markt«. Claws Heffner, bis 1520 Besitzer des Hauses MV 71, war wie Beyer in den entscheidenden Jahren 1512, 1515, 1518, 1521 Ratsherr; wiederholt amtierte er gemeinsam mit Stefan Schmelzer als Ratsbaumeister. Wie Beyer profitierte wohl auch Heffner vom Abbruch der genannten Häuser; auch sein Haus MV 71 geriet dadurch in Marktlage. 1528 wird der Wert dennoch lediglich mit 110 fl angegeben.

Markt 23

Über das Gebäude

Cranach d. J. heiratete 1541 in erster Ehe Barbara Brück (1518–50), seine ebenfalls auf den Namen Barbara getaufte Schwester (1520–1601) wurde zwei Jahre später (1543) die Frau von Christian Brück, so dass enge Beziehungen zwischen den beiden Familien bestanden. Die Familie Brück war seit 1518 bzw. 1522 am Markt ansässig und entrichtete bis etwa 1563 den Schoß für das Anwesen Markt 23 (früher Marktviertel 9). Dr. Gregor Brück (Pontanus) gehörte als Hofrat und Kanzler zum direkten Umfeld des Kurfürsten. Ab 1564 zahlte ein Dr. Johann Herrmann, der Barbara, die Tochter Cranachs d.J. aus der Ehe mit Barbara Brück geehelicht hatte. Der Sohn Cranachs d. J., Augustin Cranach († 1595) resp. seine Witwe, waren etwa von 1582 bis 1611 für Markt 23 schoßpflichtig.

Augustin Cranach war seit 1577 mit Maria Selfisch verheiratet. Sie stammte aus dem Haus Markt 3, war also ein „Nachbarskind“. Auf Augustin Cranachs Witwe und Erben folgte in Markt 23 zunächst Christoph Wüst (+ 1617), Verleger und gleichfalls ein Schwiegersohn Samuel Selfischs, dann um 1619 Michael Bluhme (1595-1649), Kaufmann, Ratsherr, Bürgermeister und Mäzen.

Der Wert des auch heute noch die Westseite des Marktplatzes dominierenden Hauses wurde 1528 anlässlich der Erhebung einer „Türkensteuer“, als es im Besitz Gregor Brücks war, mit 1.000 Gulden angegeben, 1542, nachdem offenbar Ausbauarbeiten stattgefunden hatten, mit 2.100 Gulden; auch damals wurde gegen die Türken aufgerüstet.

Zur Bauweise werden 1638 in einem überlieferten Einquartierungsverzeichnis keine Angaben gemacht, da Bluhme als Bürgermeister von der Aufnahme von Soldaten verschont war. Allerdings dürfte der damalige Bestand im wesentlichen dem heutigen Bauwerk entsprochen haben, das um 1560/70 errichtet wurde. Der Grundriss der beiden Obergeschosse ist sehr regelmäßig durchgebildet und basiert offensichtlich auf einem mathematischen Grundschema. Dadurch ähnelt das Haus dem Melanchthonhaus (1536) und der Alten Lateinschule (1564-65). Wir die Häuser Schlossstraße 1 und Markt 3 verfügt auch Markt 23 über einen auf Hofseite angebauten Wendelstein.

Mittelstrasse 4

Über das Gebäude

Polycarpus Kranach wird im Schoßbuch für den Zeitraum 1713–74 als Besitzer des Hauses Mittelstraße 4 (früher Jüdenviertel 165) geführt. Dort ist auch zu lesen, dass er von Beruf Fakultätsschreiber, als an der Universität beschäftigt war. Der Vorname deutet darauf, dass es sich um einen »Cranachspross« handelte, erinnert er doch an den berühmten Theologen Polycarp Leyser, den Schwiegersohn Cranachs d. J., Bewohner der Schlossstraße 1.

Das Haus Mittelstraße 4 weist im straßenseitigen Teil des Vorderhauses Reste der Bebauung des 16. Jahrhunderts auf, u. a. eine ausgedehnte Kelleranlage. Geprägt wird das Gebäudeinnere jedoch durch das anspruchsvoll gestaltete Treppenhaus und die Ausstattungsdetails des 18. Jahrhunderts, die auf jenen Polycarp Cranach zurückgehen könnten. Vor Polycarp Cranach gehörte das Haus Christian Gottlieb Ludewig, einem Buchhändler, der im Rat saß und auch als Bürgermeister wirkte. Paul Gottlieb Kettner berichtet in seiner 1734 publizierten ratsgeschichte, dass Ludewig als Antiquitäten- und Münzsammler hervorgetreten sei.

Zur Bauweise wird 1638 keine Aussage getroffen. Damals war das Anwesen im Besitz von Michael Geyer, einem Buchbinder. Geyer respektive seine Erben zahlten von etwa 1610 bis mindestens 1644 den Schoß, vorher der ebenfalls als Buchbinder tätige Heinrich Blume (ca. 1580 bis ca. 1610). Zur Zeit, als im Nachbarhaus Mittelstraße 5 Bartholomäus Vogel, später dessen gleichfalls im Buchgewerbe tätigen Nachfolger wohnten, waren also auch hier Personen dieser Berufsgruppe ansässig.

Mittelstrasse 5

Über das Gebäude

Christoph Cranach († 1596), ein Sohn Lucas Cranachs d. J., heiratete 1583 mit Veronica Vogel eine Tochter aus dem Buchhandelsmilieu und folgte damit dem Vorbild seines Bruders Augustin. Veronicas Vater Bartholomäus Vogel (1504–69) hatte zusammen mit Moritz Goltz und Christoph Schramm 1533 das Wittenberger Buchhandelskonsortium begründet, das 1534 mit dem Alleinvertrieb der Lutherbibel privilegiert worden war. Später bildete Vogel zusammen mit Samuel Selfisch und Conrad Rühel das Wittenberger Bibelkonsortium, dessen Monopol 1564 erneuert wurde. Barthel Vogel bzw. seine Witwe und später der gleichnamige Sohn besaßen das Haus Mittelstraße 5 (früher Elsterviertel 1) bis wenigstens 1592. Noch 1598 wurde es von Christoph Cranach resp. seiner Witwe versteuert, deren Nachfolger war zunächst der Verleger und Buchhändler Andres Hoffmann, dann der Buchhändler und Verleger Zacharias Schürer.

1528 war das Haus im Besitz des Gewandschneiders Valten Eberhards gewesen, der den Wert auf 1.300 Gulden einschätzte. Barthel Vogel gab 1542 einen Wert von 1.800 Gulden an.

1638 gehörte das Haus dem in den Rechtswissenschaften promovierten Dr. Thomas Tobias Mevius, Ehemann der Catharina Wüst, einer Enkelin Samuel Selfischs. Mevius, der neben seinen Tätigkeiten als Jurist, u. a. war er Hofgerichtsadvokat, einen Verlag betrieb, unterlag als Universitätsangehöriger nicht der Verpflichtung zur Einquartierung, so dass zur damaligen Bebauung in dem damals aufgestellten Einquartierungsverzeichnis nichts überliefert ist. Heute weist das Vorderhaus jedoch noch Fenstergewände und Zellengewölbe des 16. Jahrhunderts auf, und an einem Seitengebäude haben sich Reste polychromer Malerei erhalten, weshalb das Anwesen Mittelstraße 1 als eines der hervorragenden Zeugnisse des wirtschaftlichen Erfolgs des Wittenberger Buchgewerbes im Reformationsjahrhundert bezeichnet werden kann.

Neustrasse 8

Über das Gebäude

Ab 1521 war Cranach d. Ä. auch Eigentümer des Hauses Neustraße 8 (Jüdenviertel 146). Hierbei handelte es sich um einen Neubau auf einem Grundstück, das erstmals 1521 mit 16 Groschen Schoß pro Jahr belegt worden war.

1528 wurden in Cranachs Vermögensübersicht als Wert für das "kleyne hauss in der Newen gassen" 200 fl angesetzt. Er dürfte dieses Haus als Geldanlage und zur Vermietung erworben oder erbaut haben. 1540 verkaufte er es an den Stadtpfarrer Johannes Bugenhagen, dessen Familie dort bis zum Ende des Jahrhunderts ansässig blieb. Magister Johann Pommer, der Sohn des Stadtpfarreres, entrichtete für das Anwesen ab 1561 jährlich nicht mehr 16, sondern 30 Groschen, was mit dem Braurecht zusammenhängen dürfte, das der Wittenberger Rat dem Stadtpfarrer kurz vor seinem Tod ehrenhalber eingeräumt hatte. Ab 1595 zahlte zunächst Hans Schmidt, dann Magister Georg Müller den Schoß von 30 Groschen, gefolgt von Hans Richters Witwe und Hiob Wilhelm Fintzelius. Schmidt, Müller, Richter und Fintzelius waren Buchdrucker, Fintzelius auch Ratsmitglied und zeitweilig Bürgermeister. Die Neustraße entwickelte sich im Laufe des 16. Jahrhunderts zu einer von Universitätsangehörigen und Buchdruckern bevorzugten Gegend.

1638 wird auf dieser Hausstelle ein großes Haus mit zwei Seitenflügeln beschrieben, bestehend aus einem steinernen Erdgeschoss und zwei in Fachwerk aufgeführten Obergeschossen – „unten Stein, oben Holz“ – mit insgesamt zehn Stuben. Die Hausstelle wurde wie die benachbarten Anfang der 1990er Jahre mit einem Hotelkomplex überbaut, der die Parzellen Jüdenviertel 143 bis 150 zu einer Liegenschaft vereinigt. Bedauerlicherweise wurden damals die bis dahin vorhandenen Bauten oder deren Relikte nicht dokumentiert.

Ecke Neustrasse / Mittelstrasse (unbebaut)

Über das Grundstück

Ungefähr gleichzeitig mit dem Haus Neustraße 8 brachte Cranach laut der Kämmereirechnung für 1521 auch das nahe gelegene Eckgrundstück Neustraße/Mittelstraße, im Stadtgrundriss von Goldmann als Elsterviertel 12 bezeichnet, in seinen Besitz. Hier stand mit großer Wahrscheinlichkeit die „Windmühle“, vielleicht ein turmartiges, freistehendes Haus. Eine archäologische Untersuchung ergab 2010 u. a. den Rest eines romanischen Steinbaus, der von dem auch schon zu Cranachs Zeiten historischen Gebäude übrig geblieben war.

Cranach behielt das Anwesen wenigstens bis 1542, später saßen dort mit Barthel Liberau und Nickel Moller zwei der führenden Wittenberger Buchbinder; es treten also auch hier Nachfolger als dem Buchgewerbe in Erscheinung, zu denen die Cranachs eventuell auch sonst Geschäftsbeziehungen pflegten. Im Zuge der erwähnten archäologischen Untersuchung wurde auch eine außergewöhnlich weit gespannte Kellertonne freigelegt, deren Existenz vermuten lassen könnte, dass die Buchbinder, und vorher, zu Anfang der 1520er Jahre, vielleicht schon Cranach hier eine Werkstatt betrieben, die große Lagerräume erforderte.

Das Türkensteuerregister aus dem Jahre 1528 verzeichnet einen Wert von 600 Gulden, 1542 werden für die "wyndtmolen" nurmehr 400 Gulden veranschlagt. 1638 bestand die zwischenzeitlich mutmaßlich erneuerte Bebauung aus einem zweistöckigen Fachwerkhaus, für das wie bisher jährlich 40 Groschen Schoß zu zahlen waren.

Veränderungen in der Neustrasse

Um 1520 wurde die Parzellierung in der südlichen Neustraße, der Zuschnitt der Grundstücke Elsterviertel 11 und 12 und Jüdenviertel 139 bis 141 verändert, und die bis dato nur von Norden her zugängliche Neue Gasse an die Mittelstraße angeschlossen.

Die Straßenbauarbeiten wurden 1518 aufgenommen. Die Kämmereirechnung für 1520 enthält bzgl. der Hausstelle Jüdenviertel 141 den Beleg einer Entschädigungszahlung. "21 ß [60 Gulden] hatt der Rath Phillip Tribitz vor sein Hauß gegebenn. Zur Newhennen gassen in die Fahrstraß kommen." Tribitz musste also einen Teil seines Grundstücks für die Anlage der Straße hergeben, offenbar jenen, auf dem sein Haus stand.

Damit verbesserte sich die Durchwegung und die Durchlüftung dieser Gegend der Stadt. Außerdem konnten neue Baugrundstücke ausgewiesen werden, die dringend benötigt wurden. Dem entsprechend wurden zwischen 1520 und 1523 die neu erschlossenen Hausstellen Jüdenviertel 131 bis 140 erstmals mit Schoß belegt.

Der Stadtpfarrer Johannes Bugenhagen zog 1523 auf das Grundstück Jüdenviertel 133 (Neustraße 14, südlicher Teil). Unter den Besitzern der Nachbargrundstücke finden sich in den Steuerlisten die Ratsherren Caspar Teuschel (Jüdenviertel 137, seit 1521) und Mathes Globigk (Jüdenviertel 135), die diese Flächen vermutlich als „Renditeobjekte“ kauften. Das Filetstück an der Ecke Neustraße/Mittelstraße ging, wie beschrieben, an Cranach.

Pfaffengasse (unbebaut)

Über das Grundstück

Aus dem Schoßregister für 1552 geht hervor, dass Cranach d. J. in jenem Jahr 4 Groschen für eine Bude auf der Hausstelle Marktviertel 22 zahlte, die bis dahin Gores Heiden oder Heydehain gehört hatte. Diese lag direkt neben dem Juristenkolleg in der Pfaffengasse, damals noch als Hinter der Mauer bezeichnet. Bereits 1554 entrichtete Paulus Eber für dieses und das Nachbarhaus den Schoß. Cranach dürfte diese Immobilie nahe des Lehrgebäudes der Juristen zur Vermietung oder als Spekulationsobjekt erworben haben. Später befand es sich wie auch zwei benachbarte Häuser im Besitz des Juristen Joachim von Beust, der an der Leucorea lehrte. Der Wert von Cranachs Bude wird zehn Jahre vor dem Erwerb (1542) mit 60 fl beziffert. (> s. auch das Amtshaus in der Pfaffengasse)

Schlossstrasse 1

Über das Gebäude

Das größte innerstädtische Anwesen, das auch mit dem höchsten Schoßbetrag von jährlich 2 Schock Groschen (120 Groschen) belegt war, erwarb Cranach d. Ä. 1517 von den Erben Martin Pollichs von Mellerstadt. Mit dem Anwesen brachte er auch das Apothekenprivileg Pollichs in seinen Besitz, das letztlich Caspar Pfreundt erbte, der 1550 Anna, die jüngste Tochter Cranachs, heiratete. Der Ende 1513 verstorbene Martin Pollich war Medizinprofessor und Gründungsrektor der Leucorea gewesen, außerdem Leibarzt Kurfürst Friedrichs. Pollich war im Gründungsjahr der Leucorea (1502) an der Ecke Schloss-/Elbstraße ansässig geworden. Cranach zahlte erstmals im Sommer 1518 die Grundsteuer für die Hausstelle Coswiger Viertel 1, während der Winterschoß 1517 durch den „Apotecarius“ entrichtet wurde. Gemeint ist Petrus Culitz aus Mittweida, auch „Peter Apoteker“, der sich im Sommer 1515 an der Leucorea immatrikuliert hatte. Ab 1518 war er im Marktviertel 9, heute Markt 23, ansässig, vermutlich als Mieter der Familie Brück (> Markt 23). Cranach hatte Culitz als Apotheker angestellt, da er sonst nicht zum Betrieb der Apotheke berechtigt gewesen wäre.

Zur Finanzierung der Immobilie Schlossstraße 1 veräußerte Cranach seine Häuser Markt 5 und Markt 4. Markt 5 ging an Valentin Mellerstadt, der damit ein Tauschgeschäft einging; 1518 wird er als Schoßzahler für Markt 5 in der Kämmereirechnung geführt. Markt 4 übernahm Ambrosius Reuter. Bereits 1524 ließ sich Valten Mellerstadt, der Bruder und Erbe Martin Pollichs von Mellerstadt, im heute als »Hamlethaus« bezeichneten Anwesen Collegienstraße 12/13 nieder.

Die Familie Cranach besaß das Anwesen Schlossstraße 1 bis wenigstens 1644: Auf Cranach d. Ä. folgte spätestens mit dessen Übersiedlung nach Weimar Cranach d. J., nach dessen Tod die Witwe Magdalena geb. Schurff und nach deren Tod (1606) der Schwiegersohn Dr. Polycarp Leyser. Leyser hatte 1580 Elisabeth, die jüngste Tochter Cranachs d. J. aus zweiter Ehe, geheiratet. Er wirkte in Wittenberg von 1576 bis 1587 und noch einmal von 1593 bis 1594 als Stadtpfarrer und Generalsuperintendent; später bekleidete er in Dresden das Amt eines Hofpredigers. Leysers Wappen zeigt zwei Halbmonde; es schmückt gemeinsam mit der Cranach-Schlange die Toreinfahrt. Als (nomineller) Mieter seiner Schwiegermutter erhielt Leyser 1583, 1585, 1587 und 1593 aus dem Gemeinen Kasten, der allgemeinen Kirchenaksse, ein ansehnliches „Miethgeld“.

Im Türkensteuerregister von 1528 wird der Wert des Anwesens Schlossstraße 1 mit 2.000 Gulden beziffert: "vii c ß [700 Schock Groschen, also 42.000 Groschen] ader ii m [2000] gulden, das grossi Haußß die Apotheka". Diesem Betrag entsprach der 1517/18 vereinbarte Kaufpreis, den Cranach in Raten bis 1527 abstotterte. Der 1638 im Einquartierungsverzeichnis beschriebene Bestand – ein dreistöckiges Vorderhaus, zwei Hinter-, ein Seitengebäude, 20 heizbae Räuem (Stuben), in Stein erbaut – dürfte im Wesentlichen dem entsprochen haben, was noch heute vorhanden ist, obwohl das Vorderhaus im 18. Jahrhundert durch einen Brand stark in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Das Anwesen Schlossstraße 1 wurde wie Markt 4 Anfang der 1990er Jahre von der Stadt Wittenberg gekauft und seitdem in mehreren Abschnitten saniert. Die 1517 und 1521/22 geschlossenen Verträge sind verloren, so dass das 1517/18 vollzogene Geschäft von Cranach und Valentin Mellerstadt nur mit Mühe zu rekonstruieren ist. Aufschlussreich sind einige später erfolgte Einträge im Handels- und Gerichtsbuch, auf die bereits Monika Lücke (Literatur: Lucas Cranach und die Cranachhöfe, 1998) hingewiesen hat. Am 9. November 1525 verpfändete demnach der Goldschmied Christian Döring, der am Kauf der "apothecken" beteiligt gewesen war, sein Wohnhaus (Coswiger Viertel 9/ Schlossstraße 4), "zcwyschen Burckhardt Krinitz unnd er Georgen heusern gelegen", an Valten Mellerstadt. Döring war seinen bis 1524 fälligen Verpflichtungen über die Zahlung von 200 Gulden nicht nachgekommen. Eine Woche später, am 16. November 1525, einigten sich Mellerstadt und Cranach darauf, dass Cranach seine eigene noch offene Kaufsumme in Höhe von 428 rheinischen Gulden in Raten bezahlen sollte. Erst nach der letzten Zahlung wollte Mellerstadt das Haus Schlossstraße definitiv an Cranach übergeben.

Dementsprechend wurde am 12. Juli 1527 festgehalten, dass Cranach nun die Kaufsumme von 2.000 Gulden – der 1528 taxierte Wert – vollständig beglichen hatte und das Haus nun ganz sein Eigentum sei. Wer zu welchem Zeitpunkt zwischen 1517 und 1527 welches der Häuser Schlossstraße 1, Markt 5 und MV 84 in welcher Weise nutzte, ob Valentin Mellerstadts Haus am heute als »Holzmarkt« bezeichneten Platz zunächst eventuell noch im Bau war, kann aus diesen lückenhaften Überlieferungen nicht zweifelsfrei abgeleitet werden. Eventuell hatte Cranach ihm den Markt 5 als Sicherheit überschrieben, ohne dass daraus praktische Folgen erwuchsen und jemand ausziehen musste. Interessant ist darüber hinaus, dass Döring am Erwerb der Schlossstraße 1, damals noch Standort der Apotheke, beteiligt war und vielleicht auch deshalb in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Festzuhalten ist auch, dass Valten Mellerstadt den Erlös des Verkaufs der Schlossstraße 1 einsetzte, um die Hausstelle am sog. Holzmarkt zu erwerben oder ein Haus dort gar zu errichten, und dass Tauschgeschäfte im Immobiliensektor offenbar gängige Praxis waren.

Schlossstrasse 13/14

Über das Gebäude

Auf der heute als Parkplatz und Durchgang zum Park genutzten Freifläche östlich des Vorschlosses (Jugendherberge) und westlich des Grundstücks Schloßstraße 13 befand sich vermutlich bis zur teilweisen Zerstörung der Stadt im Siebenjährigen Krieg am 13. Oktober 1760 ein Gebäude, für das Lucas III. Cranach (1541–1612), Sohn Cranachs d. J. aus erster Ehe, im Jahre1611 alles in allem 2ß 41gr 20d (161Groschen und 20 Pfennige) Schoß und sonstige Abgaben entrichtete.

Er war auf dieser Hausstelle Nachfolger der Witwe des Amtshauptmanns Hans von Kemnitz, der ab 1563 auch eine Badestube sowie ein weiteres Haus besessen hatte, beide ebenfalls auf diesem zum Schloss gehörenden Areal gelegen. Vom jüngeren Hans von Kemnitz übernahm Lucas Cranach III. 1610 die Hausstelle Coswiger Viertel 21. Ab 1612 zahlte Abel Volck (1575–1622) die Steuern; er hatte 1604 Euphrosina (1585–1627), eine Tochter Lucas III. Cranachs, geheiratet. Ihm gehörte dann auch das bereits erwähnte Haus Schlossstraße 4, das zwei Generatione zuvor im Eigentum des Goldschmieds und Cranach’schen Geschäftspartners Christiane Dörings gewesen war (> Schlossstraße 1).

Die auf 200 Gulden bezifferte Wertangabe im Türkensteuerregister von 1528 ist fast einhundert Jahre später nicht mehr aussagekräftig, da in der Zwischenzeit die Bebauung verändert worden sein dürfte. Im Register für 1542 finden sich keine Angaben zu dieser Liegenschaft, ebenso wenig 1638 im Einquartierungsverzeichnis, weil das Gebäude zu beiden Zeiten als Amts- bzw. Kommandantenhaus diente. Interessant ist hier die Nachbarschaft, einerseits das Schloss im Westen, andererseits das Grundstück Schlossstraße 13 (CV 20), wo Andres Garei ansässig war. Lucas Cranach III. hatte 1570 eine Anna Gareis geheiratet, die möglicherweise jener Familie entstammte, die Anfang des 16. Jahrhunderts in Markt 5 gesessen hatte.

Literaturhinweis:

Insa Christiane Hennen, »Cranach 3 D«: Häuser der Familie Cranach in Wittenberg und das Bild der Stadt, in: Das ernestinische Wittenberg: Spuren Cranachs in Schloss und Stadt, im Auftrag der Stiftung LEUCOREA hrsg. von Heiner Lück u. a., (Wittenberg-Forschungen, Bd. 3), Petersberg: Michael Imhof Verlag 2015, S. 313-362. - Hier auch die ältere Literatur!

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