Anarchie und Ästhetik

Autonome Kunst der 1970er- und 1980er-Jahre in der DDR

12.05.2023 - 27.08.2023
Montag-Samstag 10:00-17:00 Uhr, Sonntag 13:00-17:00 Uhr

Eine Ausstellung der Cranach-Stiftung im Cranach-Hof, Markt 4

Die Ausstellung vermittelt einen Blick auf die unangepasste Kunst der 1970er- und 1980er-Jahre in der DDR. Sie zeigt Werke der inoffiziellen, alternativen Szene sowie Arbeiten von Künstlern des VBK abseits eines eng ausgelegten „Sozialistischen Realismus“. Helga Paris‘ (geb. 1938) Schwarz-Weiß-Fotografien erzählen von Einsamkeit und Leere. Gundula Schulze Eldowy (geb. 1954) ging für ihre Fotoserie Der große und der kleine Schritt (1984–1990) in Kreißsäle, Werkhallen, Schlachthöfe, Kneipen und Abrissviertel. Sie ließ nichts aus, richtete die Kamera auf die Menschen am Rande der Gesellschaft, sezierte die Nichtigkeiten und Erschütterungen des Alltags.

Gezeigt werden zudem Manfred Butzmanns (geb. 1942) ikonische Plakatentwürfe aus der Serie Heimatkunde, die auch als Postkarten verbreitet wurden und in Umwelt-AGs und kirchlichen Gruppen kursierten. In kirchlichen Kreisen, vor allem in der sogenannten Offenen Arbeit, wurden oft auch erstmals die Filme und Performances von Gabriele Stötzer und der Erfurter Künstlerinnengruppe aufgeführt, in denen es um weibliche Selbstermächtigung, um die Formulierung von Träumen und den Anspruch auf ein selbstgestaltetes Leben geht. Sie agieren anarchisch, jenseits staatlicher Vorgaben und institutioneller Gewalt.

C. D. Spinne, 1965 in Erfurt geboren, war einer der ersten Punks in Erfurt. Er malte seit seiner Kindheit. Seine Stilisierung zum Punk war für ihn ein individueller Befreiungsschlag und der Schlüssel zur Kunst. Zu seinem Erfurter Freundeskreis gehörte Katharina Häfner (geb. 1966). Nach einer Ausbildung zur Holzbildhauerin und parallel zu Jobs mit und ohne Arbeitsplatzbindung formte sie Bildwelten, in denen Figuren aus dem Liniengeflecht aufscheinen und einen phantastischen Kosmos umschreiben. C. D. Spinne und Katharina Häfner haben einen unkonventionellen, nicht durch ein Studium normierten Zugriff auf die Bildende Kunst. Gegen das eingefrorene System setzten sie die Lebendigkeit einer gestischen, am Brücke-Expressionismus orientierten Malerei und Grafik. Doch die emotional aufgeladene Geste verdeckt nicht die Zerbrechlichkeit der schmalen, in sich versunkenen Figuren, die sich mit Stacheln und Haken gegen die Welt abschotten.

Im Jahr 1977 gründeten die in der Ausstellung vertretenen Künstler Michael Morgner, Carlfriedrich Claus und Dagmar Ranft-Schinke zusammen mit Thomas Ranft und Gregor-Torsten Schade (Kozik) in Karl-Marx-Stadt die Künstler:innengruppe Clara Mosch. A. R. Penck (1939–2017) gehörte in Dresden der Ersten Phalanx Nedserd und der Lücke an. Er war auch an der Gründung der Dresdner Obergrabenpresse beteiligt. In Leipzig war Günther Huniat (geb. 1939) Mitbegründer der Freiluftgalerie Stötteritz und des Ersten Leipziger Herbstsalons. Von 1963 bis 1974 bestand die Erfurter Ateliergemeinschaft als Plattform nonkonformer Ausstellungen. Zur Ateliergemeinschaft gehörte Alfred Traugott Mörstedt (1925–2005), von dem einige Grafiken in der Ausstellung zu sehen sind. Die Partys und Feste der Subkultur fanden unterdessen in Kellern, Wohnungen und Datschen statt. Eingeladen dazu wurde mit einfachen Handzetteln oder aufwendig gestalteten Drucken. Die Ausstellung zeigt diese und weitere Grafiken, Fotos, Videos und Objekte aus dem Bestand der Cranach-Stiftung, als Leihgaben aus der Sammlung Dr. Gerd Gruber sowie aus weiterem Privatbesitz.

Abb.: Gabriele Stötzer, Der Kohlkopfkönig, Fotomontage, 1983, Copyright Privatbesitz und Stötzer

Wolfgang Petrowsky, o. T., Siebdruckpostkarte, 1986, Copyright Sammlung Dr. Gerd Gruber und Petrowsky

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